03.06.2024, Baden-Württemberg, Klaffenbach: Hochwasserschäden sind an einer Brücke zu sehen.

Versicherungspflicht gegen Hochwasserschäden

Die von der neuen Bundesregierung geplante Versicherungspflicht gegen Überschwemmungen und andere Naturkatastrophen stößt laut einer neuen Umfrage  des Vergleichsportals Verivox auf breite Zustimmung. Fast 80 % der über 2.000 befragten Hausbesitzer und Mieter findet die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden richtig.

Anlass der Regierungspläne sind die mit Überschwemmungen verbundenen Milliardenkosten für Bund und Länder. Großen Flutkatastrophen folgen regelmäßig Hilfsprogramme für die Geschädigten, die die Staatskasse schwer belasten. Und diese Hilfen sind unter anderem deshalb so teuer, weil nur gut die Hälfte der deutschen Wohngebäude gegen Elementarschäden versichert ist.

Wann aus dem Plan der Koalition ein Gesetz werden soll, ist unbekannt. Das Bundesjustizministerium teilt mit, man arbeite «intensiv» an der Umsetzung. Details werden unter Verweis auf den frühen Zeitpunkt nicht enthüllt.

Müssen nun alle Hausbesitzer eine Elementarversicherung abschließen?

Doch zentrale Fragen sind ungeklärt. So ist offen, ob künftig wirklich alle Hausbesitzer eine Elementarversicherung abschließen müssen. «Dabei prüfen wir, ob dieses Modell mit einer Opt-Out-Lösung zu versehen ist», heißt es im Koalitionsvertrag. Die Opt-Out-Lösung ist eine Forderung der deutschen Versicherer. Eine allgemeine Pflicht ohne jede Ausnahme würde bedeuten, dass auch die Gebäude versichert werden müssten, die in quasi garantiertem Überschwemmungsgelände erbaut wurden. Die Folge wären hohe Kosten für die Versicherungen. Bisher ist es so, dass die Besitzer stark gefährdeter Gebäude häufig keinen Versicherer finden, und wenn, dann nur zu sehr hohen Preisen. 

Müssen auch Mieter sich versichern?

Ein weitere heikler Punkt ist die Frage, wer die Elementarversicherung letztlich bezahlen soll: nur die Hausbesitzer oder auch die Mieter? Grundsätzlich dürfen Eigentümer die Kosten der Gebäudeversicherung auf die Mieter umlegen. Das schließt Elementarschäden mit ein. Doch der Deutsche Mieterbund forderte bereits im vergangenen Jahr, dies aus der Betriebskostenverordnung zu streichen. Auch in dieser Hinsicht bleibt der Koalitionsvertrag wolkig: «Die Belange der Mieterinnen und Mieter haben wir dabei im Blick.»

Kompromissbereite Versicherer

Die Versicherer haben ihren früheren grundsätzlichen Widerstand gegen eine Versicherungspflicht weitgehend aufgegeben, allerdings nicht bedingungslos. «Dass die Bundesregierung den Elementarschutz im Koalitionsvertrag verankert hat, ist ein wichtiges Signal», sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Doch Versicherungsschutz allein reiche nicht aus. Der GDV fordert ein umfassendes Konzept inklusive strengerer Bauplanung: «Dazu gehören unter anderem eine klimaresiliente Stadtplanung, gezielte Entsiegelung von Flächen, ein verbindlicher Baustopp in hochgefährdeten Gebieten sowie eine Klima-Gefährdungsbeurteilung bei Baugenehmigungen», sagt Asmussen. 

Leichtsinnige Bauherren 

Der geforderte Baustopp in «hochgefährdeten Gebieten» ist ein zweiter wunder Punkt. Eigentlich ist das Bauen in Überschwemmungsgebieten in Deutschland verboten. Doch dieses Verbot ist löchrig: Ausnahmen im Wasserhaushaltsgesetz erlauben das Bauen in Überschwemmungsarealen dann eben doch. Nach einer Analyse des GDV stehen mehr als 300.000 Gebäude in Deutschland in gefährdeter Lage, 80 Prozent davon in vorläufig oder final festgesetzten Überschwemmungsgebieten. 

Bund und Länder scheuen die Konfrontation mit den Kommunen

Denn Wohnen in der Nähe eines Gewässers ist attraktiv, solange dieses nicht über die Ufer tritt. Doch viele Politiker scheuen sich, für schärfere Bauplanung einzutreten. Ein Beispiel: «Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr sieht ein pauschales Verbot von Baugebieten in bestimmten Arealen kritisch, vielmehr kommt es stets darauf an, die konkreten jeweiligen Rahmenbedingungen zu prüfen und ergebnisoffen abzuwägen», teilt ein Sprecher mit. Bayern ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Vielen Führungskräften in den Chefetagen der deutschen Versicherungen stößt sauer auf, dass die Unternehmen - und damit deren Kunden - künftig für Schäden zahlen sollen, von denen ein beträchtlicher Teil bei vernünftiger Planung gar nicht erst entstehen würde.

Koalitionspartner umschiffen Bauverbot 

Dem Koalitionsvertrag ist zu entnehmen, dass Union und SPD sich diesem Konfliktstoff nur mit höflicher Zurückhaltung nähern wollen: «Wir prüfen, wie Planungsträger in den Ländern für ihre Verantwortung bei der Bauleitplanung in besonders schadensgefährdeten Gebieten sensibilisiert werden können und konkretisieren die Staatshaftungsregeln der planenden Körperschaften, die neue Baugebiete in bisher unbesiedelten Arealen trotz dieser Risiken ausweisen.»

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund appelliert an die Gemeinden, grundsätzlich auf neue Baugebiete in überschwemmungsgefährdeten Bereichen zu verzichten. Die Opt-Out-Lösung hält auch der Kommunalverband für sinnvoll. «Damit bliebe die Letztentscheidung dann beim Versicherungsnehmer», sagt Bernd Düsterdiek, der Beigeordnete für Städtebau und Umweltschutz. 

Hauseigentümerverband gegen Pflichtversicherung 

Der Eigentümerverband Haus+Grund lehnt die Einführung einer Versicherungspflicht ab, ebenso die Streichung der Elementarversicherung aus der Liste der umlagefähigen Betriebskosten. «Versicherungen sind nur die zweitbeste Lösung», sagt Inka-Marie Storm, die Chefjustiziarin des Verbands. «Wirkungsvoller ist es, Schäden gar nicht erst entstehen zu lassen.» Insofern fordert Haus+Grund anstelle der Versicherungspflicht ein großes Vorbeugungspaket gegen Überschwemmungen: Dazu gehören unter anderem der Verzicht auf neue Baugebiete in bekannten Gefahrenzonen und besserer technischer Hochwasserschutz durch Deichbau, Renaturierung von Flüssen und andere Maßnahmen. 

 

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