Junge Menschen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren verschulden sich wieder häufiger. Die Zahl ist in den letzten zwei Jahren erneut angestiegen. Das liegt vor allem daran, dass es so unheimliche viele Bezahlmöglichkeiten gibt. Ob Klarna, Paypal oder Amazon Pay, wenn die oft lukrative Bezahlpause von 30 Tagen nicht eingehalten wird, drohen hohe Zinsen bei der Rückzahlung. Und nun kommen auch soziale Medien wie TikTok mit Kreditenangeboten – oft ohne kleingedrucktes - und „sofort kaufen“-Button um die Ecke. Finanzexperte Hermann-Josef Tenhagen vom Magazin Finanztipp stand uns Rede und Antwort.
Ab wann kann man überhaupt erste eigene Geschäfte vornehmen?
Eigentlich können sich Minderjährige nicht verschulden, die können also nicht in den Dispo gehen, sowas funktioniert alles nicht, es geht alles erst ab 18. Und wenn es um Verschuldung von jungen Leuten geht, geht es normalerweise auch um die Verschuldung der 18- bis 25-Jährigen, weil da kann man das messen. Nur ist es so, dass natürlich auch Jüngere mit ihrem Taschengeld im Grunde machen können, was sie wollen und wenn sie auch mit diesem Taschengeld irgendwelche Dinge kaufen, dann könnten sie sich auch sozusagen in so eine Verschuldung hineinbewegen, vielleicht auch privat Geld sich leihen bei anderen jungen Leuten oder bei anderen älteren Leuten. Das ganz große Problem ist das aber nicht, sondern das größere Problem startet bei den 18- bis 25-Jährigen, weil die können ja tatsächlich mit dem Konto in den Dispo gehen, die Kreditkarte überziehen und solche Dinge mehr machen.
Welche sind denn die Wege, auf denen junge Menschen in die Schuldenfalle rutschen?
Also eigentlich ist es so, dass die jüngeren Leute vor allen Dingen durch die Vielzahl der Bezahlkanäle in Schwierigkeiten geraten. Also sie haben ihr Girokonto mit einer Karte, einer Debitkarte dazu. Sie haben womöglich noch eine Kreditkarte dazu. Sie haben Klarna als Bezahlverfahren. Sie haben Paypal als Bezahlverfahren. Sie haben vielleicht Amazon Pay als Bezahlverfahren und alles das machen sie nebeneinander. Und am Ende des Monats wissen sie nicht mehr, was sie an Geld ausgegeben haben. Und sie haben viel zu viel Geld ausgegeben. Dazu kommt, dass junge Leute in dem Alter möglicherweise ihren ersten Haushalt gründen. Und aus diesem Zusammenhang kommen auch nochmal zusätzliche finanzielle Belastungen. Und dann als drittes sind die Gehälter oft in dem Alter gar nicht so hoch. Nun soll man aber nicht dramatisieren. Also die Verschuldung von jungen Leuten zwischen 18 und 25 war vor einigen Jahren viel höher, als sie jetzt ist. Die ist eigentlich zehn Jahre heruntergegangen. Nur in den letzten anderthalb Jahren steigt sie wieder, was auch eben mit der Vielzahl dieser Bezahlverfahren zu tun hat.
Wie funktionieren Bezahlungen bei Dienstleistern wie Klarna technisch?
Was sie im Kern dazu brauchen, ist, dass sie dann hintenran ein Konto haben, von dem das beglichen wird. Und was diese Dienstleister machen, ist, dass die natürlich sehr komfortabel ist, eigentlich für beide Seiten. Weil auf der einen Seite als Kunde kann ich signalisieren, ich kann das Produkt bezahlen und bezahle das Produkt auch, kann das Geld aber zurückholen, wenn das Produkt zum Beispiel nicht ankommt. Und auf der anderen Seite habe ich den Anbieter, der signalisiert bekommt, ja, da ist das Geld da, also der könnte oder die könnte das bezahlen. Und es ist nicht so, dass das Produkt jetzt ins Nirvana schicke und dann ja kein Geld bekomme. Die Herausforderung ist, bei all diesen Bezahlverfahren den Überblick nicht zu verlieren. Und natürlich muss man immer das Geld erst verdienen, was man dann hinterher ausgibt.
Welche Vorteile haben die Bezahldienstleister im Vergleich zur klassischen Überweisung?
Der wesentliche Vorteil im Vergleich zur klassischen Überweisung, wenn Sie sich überwiesen haben, ist das Geld weg. Hier in dem Fall könnten Sie das Geld zurückholen, wenn die Dienstleistung nicht kommt.
Was sind die Gefahren bei Dienstleistern Klarna, Paypal und Co.?
Also wenn man bei Klarna oder Paypal oder so, da kriegt man ja das Angebot, 30 Tage kann ich das sozusagen stehen lassen, muss ich das erstmal nicht bezahlen. Und danach geht das mit Zinsen los und das geht mit heftigen Zinsen los. Das sollte man auf jeden Fall vermeiden, weil die Zinsen sind da meistens höher, als sie bei dem eigenen Dispo, beim Girokonto sind, also 15 Prozent und drüber. Bei Kreditkarten gibt es da auch schon mal 24 Prozent.
Welchen Tipp möchten sie jungen Menschen gern mitgeben?
Also das Einfachste, was man machen kann, gerade wenn man jetzt in eine neue Lebenssituation sich hineinbewegt, also das erste Mal einen eigenen Haushalt haben, das erste Mal eine eigene Wohnung haben, dass man für ein paar Monate mal am Anfang tatsächlich ein Haushaltsbuch führt, egal ob das elektronisch ist oder ob man ein altes Vokabelheft dazu nimmt. Jeden Penny, jeden Cent, jeden Coffee-to-go aufschreiben und schauen am Monatsende, wo das Geld geblieben ist, und zwar auf allen Kanälen und dann zu dem Ergebnis kommen, okay, ich gebe zu viel aus, an welchem Kanal kann ich was am besten streichen? Also Coffee-to-go fällt für den nächsten Monat oder die nächsten Monate aus. Und wenn man einmal da das eingeruckelt hat, dann braucht man das ja nicht weiterzumachen. Wenn sich die Lebenssituation aber dann ändert, zum Beispiel eine neue Wohnung oder es kommt ein Partner oder eine Partnerin dazu, dann wieder von vorne anfangen, tatsächlich diese Art von Buchführung für sich zu machen, bis man mit den eigenen monatlichen Ausgaben und Einnahmen im Reinen ist. Und ganz ehrlich, wenn Sie jung sind, sollten Sie auch Geld zur Seite legen, zum Beispiel erstmal auf ein Tagesgeldkonto, damit Sie nie, nie wieder in diesen Dispo reinmüssen, für den die Banken 15 % nehmen.
Was können Eltern ihren Kindern schon mit auf den Weg geben, wenn sie den Umgang mit Geld erlernen?
Eltern haben ja 18 Jahre Zeit gehabt, das anzutrainieren und am besten trainiert man das an, indem die Kinder tatsächlich auch Geld in der Tasche haben, also Taschengeld haben und mit dem Taschengeld eine eigene Verantwortung haben. Das heißt in der Tendenz lieber etwas mehr Taschengeld zahlen und dafür den jungen Leuten sagen, um die Kosten kümmert ihr euch selber. Was ganz schlecht ist, ist wenig Taschengeld und jedes Extra wird dann von Papa und Mama bezahlt. Da können die jungen Leute ja nie lernen, wie man mit seinem Geld umgeht. Das ist das Problem. Das ist das Problem.
TikTok hat nun auch in Deutschland – so wie es Instagram schon hat - einen Onlineshop direkt mit verlinkt. Was halten Sie davon?
Also ich gucke da immer mit einer gewissen Skepsis drauf. Auf der anderen Seite, die jungen Leute müssen lernen, mit solchen Dingen umzugehen und müssen das für sich ausprobieren. Was wichtig ist, dass in jedem dieser Shops der Hinweis, du kaufst das jetzt und du musst das jetzt bezahlen und wenn du dir Geld leihst, dann kostet das Zinsen und das kostet viel Zinsen. Die müssen dann sehr prominent da sein. Das ist ganz wichtig. In den Niederlanden bei Bankwerbung, die müssen immer den Hinweis machen, Geld auszuleihen, kostet Geld.
Was sollte man tun, wenn man in die Schuldenfalle geraten ist?
Also das Erste ist, auch da wieder das Haushaltsbuch erst mal zu Rate ziehen und zu gucken, habe ich das Geld, was ich monatlich ausgebe. Idealerweise sollte da ja jetzt Geld übrig sein und mit dem Geld, was übrig ist, würde ich meine Schulden dann wieder abbezahlen und langsam, aber sicher wieder abbauen. Das ist vernünftig. Wenn man jetzt ganz, ganz tief hineingeraten ist, also, was weiß ich, mit fünf oder acht oder zehn Monatseinkommen, solche Fälle gibt es ja, junge Leute, die plötzlich 30.000 oder 40.000 Euro Schulden haben, dann wird man den Weg zur Schuldnerberatung antreten müssen. Am besten so früh wie möglich da hingehen und sagen, ich brauche hier Hilfe. Die Schuldnerberatung kann einem dabei helfen. Erst wird versucht, sich mit den Gläubigern zu einigen. Wenn das nicht klappt, ist das Allheilmittel eine Privatinsolvenz. Privatinsolvenz heißt, ich darf nur einen bestimmten Teil meines Geldes jeden Monat behalten. Der Rest geht an den Insolvenzverwalter und der verteilt das dann an die Gläubiger, die mir Geld geliehen haben. Und nach einiger Zeit, also nach drei Jahren, bin ich dann im Zweifel da raus.
Schon häufig von gesprochen, aber welches Haushaltsbuch bevorzugen Sie - das klassische oder die elektronische Version?
Ich benutze inzwischen die elektronische Variante, mit der elektronischen Variante gelingt es mir auch bei mehreren Konten ordentlich den Überblick zu behalten. Das Wichtige ist nur, dass wirklich jeder Kaffee drin steht und nicht, dass man einfach die kleinen Summen vergisst, weil die kleinen Summen läppern sich über den Monat ganz schön.