Zwei Wochen vor der Bundestagswahl haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) einen harten Schlagabtausch über den Umgang mit der AfD und die Migrationspolitik geliefert. Bei ihrem ersten von zwei geplanten TV-Duellen zeigten sich beide auch bei anderen Themen wie der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik unversöhnlich. Nach einer Zuschauerbefragung der Forschungsgruppe Wahlen war es ein "Duell ohne klaren Sieger".
Scholz warf Merz in ARD und ZDF erneut einen "Wortbruch" und einen "Tabubruch" vor, weil die Union im Bundestag ihren Fünf-Punkte-Plan zur Migration mit den Stimmen der AfD durchgesetzt hat. Er traue dem CDU-Vorsitzenden zu, nach der Wahl eine Koalition mit der AfD einzugehen. "Das ist meine ernste Sorge."
Beim Thema Migration versprach Scholz für die Zeit nach der Wahl, einen "harten Kurs" fortzusetzen. Deutschland dürfe Gewalttaten wie die von Aschaffenburg nicht akzeptieren. "Wir können uns niemals abfinden mit solchen Taten und deshalb muss klar und entschieden gehandelt werden."
Auch in der Wirtschaftspolitik gerieten Scholz und Merz aneinander. Merz warf Scholz eine gestörte Wahrnehmung bei der krisenhaften Lage der deutschen Wirtschaft vor. "Ich bin einigermaßen erschüttert, mit welcher Wahrnehmung Sie hier heute Abend den Zustand unserer Wirtschaft beschreiben", sagte der Unions-Kanzlerkandidat. Er fügte direkt an den Kanzler gewandt hinzu: "Das hat mit der Realität da draußen - ehrlich, Herr Scholz - gar nichts zu tun." Scholz hatte zuvor erklärt, es gebe in Deutschland keine Deindustrialisierung.
Merz hielt Scholz entgegen, es gebe im Land eine Insolvenzwelle wie nie in den letzten 15 Jahren. "50.000 Unternehmen sind in Ihrer Amtszeit in Deutschland in die Insolvenz gegangen, fast die Hälfte davon im letzten Jahr", sagte Merz. Scholz räumte ein: "Es ist was los und wir müssen was tun." Der Kanzler verwies aber unter anderem auf eine steigende Zahl von Erwerbstätigen. Zudem gebe es in Deutschland die zweitniedrigste Arbeitslosigkeit unter allen wirtschaftsstarken Demokratien der G7-Gruppe.
Merz bekräftigte die Absicht, das Bürgergeld grundlegend zu reformieren. "Das System muss geändert werden. Wir wollen eine neue Grundsicherung." Merz rechnete vor, dass der deutsche Staat mit 100.000 Bürgergeldempfängern, die auf den Arbeitsmarkt zurückkämen, "mindestens 1,5 Milliarden Euro" sparen könne. In Deutschland gebe es 1,7 Millionen Bürgergeld-Empfänger, die arbeiten könnten.
Scholz verwies darauf, dass im Bundestag ein Gesetz zur Verschärfung von Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger liege, das "spätestens nach der Wahl" beschlossen werden könne. Er stehe für sehr klare Regeln beim Bürgergeld, betonte Scholz. "Ich bin der Politiker, der in Deutschland am meisten für harte Sanktionen im Bürgergeld und auch bei der früheren Grundsicherung steht", erklärte er.
Bei der Zuschauerbefragung der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.374 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten gaben 37 Prozent an, Scholz habe sich besser geschlagen, 34 Prozent attestierten dies Merz. Für 29 Prozent lagen die beiden Kontrahenten auf einem Niveau.
Für 42 Prozent war Scholz glaubwürdiger, für 31 Prozent Merz, 27 Prozent der Befragten sahen keine großen Unterschiede. Den sympathischeren Auftritt bescheinigten 46 Prozent Scholz und 27 Prozent Merz. Bei der Frage nach dem Sachverstand lagen Scholz und Merz mit jeweils 36 Prozent gleichauf, 27 Prozent sahen keinen Unterschied.