Das TV-Duell war politisch aufgeladen und eine Premiere: Knapp fünf Monate vor der Landtagswahl in Thüringen traten CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt und AfD-Rechtsaußen Björn Höcke am Donnerstagabend zum Fernsehduell an. Im Studio des TV-Senders Welt lieferten sich der wohl umstrittenste AfD-Politiker und der CDU-Politiker mit Ambitionen auf das Ministerpräsidentenamt in Erfurt einen heftigen Schlagabtausch. Thesen, Fakten und Zahlen zur Europa-, Wirtschafts- und Migrationspolitik wirbelten durcheinander - und manchmal wurde es auch eher trivial: Heißt es nun Mett- oder Gehacktesbrötchen in Thüringen?
Anlass des TV-Duells der beiden Spitzenkandidaten zur Thüringer Landtagswahl am 1. September war ein Streit über Europapolitik - und damit begann auch die Sendung, die von den Welt-Journalisten Tatjana Ohm und Chefredakteur Jan Philipp Burgard moderiert wurde. Voigt und Höcke bekräftigten bekannte Positionen: Der CDU-Kandidat sagte, Höcke wolle, dass die Europäische Union sterbe und das «wäre eine Katastrophe für Deutschland». Höcke wiederholte, Deutschland müsse raus aus der EU und es brauche einen «lockeren Bund europäischer Staaten». Beide warfen sich vor, Deutschland und der deutschen Wirtschaft zu schaden.
So ging es weiter durch die Themen: Wirtschaftsstandort und Steuern, Migration, die Erinnerungskultur an Deutschlands NS-Vergangenheit bis hin zu Russlands Krieg gegen die Ukraine. Vieles war nicht neu, die Kontrahenten blieben bei ihrer Parteilinie. Beim klassischen AfD-Thema Migration fiel auf, dass CDU-Politiker Voigt vergleichsweise scharf formulierte: Er sagte, illegale Migration sei ein Riesenproblem, die Lösung sei: «Null illegale Migration in Deutschland».
Höcke blieb bei dem Thema hingegen vage. Den Begriff «Remigration» verwendete er in einem bisher wenig gebrauchten Sinn: Es gehe um Rückholung deutscher Auswanderer zurück ins Land. In der Regel meinen Rechtsextremisten mit «Remigration», dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. Ins Schwimmen kam Höcke, als die Moderatoren ihn nach seinem Gebrauch der SA-Parole «Alles für Deutschland» in einer Rede fragten. Er habe während der Rede nicht gewusst, dass «Alles für Deutschland» eine SA-Parole sei, sagte Höcke, der Geschichtslehrer ist.
Teilweise gingen sich Voigt und Höcke persönlich hart an. So sagte der CDU-Politiker: «Wir werden keine neuen Unternehmensansiedlungen und auch keine neuen Fachkräfte gewinnen, wenn der Reichskanzler Höcke zur Eröffnung kommt.» Der AfD-Mann konterte, Voigt äußere sich «radikalpopulistisch» und verstehe seine Argumente nicht.
Fast am verbissensten stritten die beiden Politiker um die korrekte Bezeichnung für ein Brötchen mit rohem Hackfleisch - sinnbildlich ging es dabei um Heimatverbundenheit, denn Voigt ist Thüringer, während Höcke aus Nordrhein-Westfalen stammt. Es heiße Gehacktesbrötchen und nicht Mettbrötchen, belehrte der CDU-Mann seinen Kontrahenten. Höcke korrigierte sich. Tatsächlich wird gehacktes und gewürztes Schweinefleisch in Thüringen nicht als Mett bezeichnet.
Andererseits nannte Höcke Voigt immer wieder einen «Kollegen» - sie sind Vorsitzende der beiden größten Oppositionsfraktionen im Thüringer Landtag, wo die rot-rot-grüne Koalition von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) in der Minderheit ist. Und als es am Ende um mögliche Koalitionsoptionen nach der Wahl ging, schien der Streit für Höcke sowieso keine Rolle mehr zu spielen: «Meine Hand ist weiterhin ausgestreckt», bot er Voigt eine Koalition an. «Wir machen eine bürgerlich-konservative-patriotische Wende in Thüringen.» Voigt schloss das erneut aus und sagte: «Herr Höcke, Sie sind nicht bürgerlich, sie sind völkisch. Ich bin demokratisch, Sie sind autoritär.»
Voigt habe gezeigt, «dass man die AfD nicht verbieten muss, um sie zu schwächen – weil diese ultima ratio nicht erforderlich ist und auch gefährlich wäre», sagte Politikwissenschaftler von Lucke. Voigt, dessen CDU in Thüringen nach Umfragen mit 20 bis 21 Prozent deutlich hinter der AfD mit 29 bis 31 Prozent liegt, sei ein großes Risiko eingegangen.
Der Bochumer Professor Lembcke sieht Voigt trotz einiger Schwächen in der Argumentation als Punktsieger. Das Duell habe gezeigt, es sei richtig, in den Ring mit der AfD zu gehen. Punktuell habe er den Rechtsaußen demaskiert, bei zentralen Themen wie der Migrationspolitik sei er ins Schwitzen gekommen, habe sich die Maske aber wieder aufsetzen können. Voigts Manko sei gewesen, dass er die Machtfrage offen gelassen habe, wie er zu einer bürgerlichen Mehrheit kommen wolle.
Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz kritisierte, Wählerinnen und Wähler hätten von dem Duell für ihre Wahlentscheidung kaum profitiert, da es kaum um Landesthemen ging. Das Ziel, Höcke inhaltlich zu stellen, wurde seiner Einschätzung nach nicht erreicht. Profitiert hätten dennoch beide Kandidaten von dem TV-Duell. «Langfristig kann es für beide ein Erfolg gewesen sein, weil es die Wahl im September auf die Entscheidung Höcke oder Voigt zugespitzt hat», sagte Brodocz.
Die CDU-Spitze zeigte sich zufrieden mit Voigts Auftritt. «Sein mutiger Kurs, die Rechtsextremen inhaltlich zu stellen, hat sich als goldrichtig erwiesen», sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann der «Rheinischen Post». Linken-Chef Martin Schirdewan sagte hingegen: «So eine braun-schwarze Freakshow hat Thüringen nicht verdient, und es ist ein Fehler der Unionsführung aus Berlin, dies nicht im Vorfeld unterbunden zu haben.»