Boris Pistorius

Bundeswehr: Neuer Wehrdienst gefordert – Pflicht statt Freiwilligkeit?

Pistorius setzt auf schwedisches Modell

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, fordert entschlossene Schritte für einen neuen Wehrdienst. Die Bundeswehr hat aktuell so wenig Personal wie seit 2018 nicht mehr, sagte Wüstner in Berlin. Er hofft, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius bei seinem neuen Wehrdienst-Modell auch Pflichtanteile einplant. „Nur mit Freiwilligkeit wird es meiner Meinung nach nicht funktionieren“, sagte Wüstner.

Was der Minister angedeutet hat

Pistorius will am späten Morgen den Verteidigungsausschuss informieren und am Nachmittag seine Pläne der Öffentlichkeit vorstellen. Aufgrund des Krieges in der Ukraine hat er verschiedene Modelle einer Dienstpflicht prüfen lassen. Im Bundestag hat er angedeutet, dass der Wehrdienst nicht komplett freiwillig sein wird. Er betonte, Deutschland müsse gemeinsam mit der Nato kriegsfähig sein, um abschrecken zu können.

Was die SPD will

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken will beim neuen Wehrdienst-Modell auf Freiwilligkeit setzen. „Für mich ist das Erleben von Selbstbestimmung ganz entscheidend für die Akzeptanz der Demokratie“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Freiwilligkeit „ist auch in Bezug auf ein Engagement bei der Bundeswehr und der damit einhergehenden großen Verantwortung für die Sicherheit Deutschlands das richtige Prinzip“.

Der SPD-Verteidigungsexperte Andreas Schwarz sagte, dass der Schwerpunkt „auf die Erfassung von wehrfähigen Personen gelegt wird“. Damit verbunden seien Investitionen in Kasernen, Ausrüstung und Ausbildung, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Sollte das Prinzip der Freiwilligkeit nicht funktionieren, muss auch über verpflichtende Elemente diskutiert werden.“

Wie die Personallage ist

Wüstner sagte, die Bundeswehr bräuchte heute weit mehr als die politisch gesetzten 203.300 Soldaten. Das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr aus dem Jahr 2018 habe schon über 240.000 Soldaten vorgesehen. Wegen zusätzlicher politischer Aufträge und Nato-Verpflichtungen dürfte die Zahl aktuell weit höher liegen. Trotz einer Personaloffensive war die Bundeswehr im vergangenen Jahr auf 181.500 Soldaten geschrumpft.

Wüstner sagte, eine „neue Wehrform“ würde helfen, da sich viele Wehrpflichtige in der Vergangenheit entschieden hätten, in der Bundeswehr zu bleiben. Einige seien auch Berufssoldaten geworden. Damals habe die Bundeswehr die Gesellschaft besser widergespiegelt. Die Wehrpflicht war auch wichtig für die Reserve und die Verteidigungsfähigkeit.

Was der Bundeswehrverband erwartet

„In den kommenden Tagen wird sich zeigen, wer seit der Zeitenwende verteidigungspolitisch tatsächlich umgedacht hat“, sagte Wüstner. „Wer das von sich behauptet, wird sich nicht pauschal gegen eine neue Wehrform oder eine neue Art Wehrpflicht wenden können.“
Pistorius führe die Debatte „nicht aus Spaß“ und habe bereits Gegenwind aus der eigenen Partei und von Bundeskanzler Olaf Scholz bekommen, sagte Wüstner. „Ich verstehe, dass manche Menschen Angst haben, wir könnten ungewollt in einen Krieg geraten. Aber genauso wichtig ist es, dass wir nicht naiv vom Krieg überrascht werden!“ Wüstner sagte, nun entscheide der politische Wille. „Wer etwas will, findet Wege, wer etwas nicht will, findet Gründe.“

Warum es keine Wehrpflicht mehr gibt

Die Wehrpflicht wurde in Deutschland nach 55 Jahren im Jahr 2011 ausgesetzt. Das bedeutete praktisch das Ende von Wehr- und Zivildienst. Außerdem wurden fast alle Strukturen für eine Wehrpflicht aufgelöst. Gesetzlich ist aber festgelegt, dass die Wehrpflicht für Männer im Spannungs- und Verteidigungsfall wieder auflebt.

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