In gut acht Wochen beginnt die berufsbezogene Impfpflicht für Gesundheitswesen und Pflege. In vielen sächsischen Pflegeeinrichtungen besteht erhebliche Sorge. Sollte es nach dem 15. März tatsächlich zu Tätigkeitsverboten kommen, wird es mit Blick auf den ohnehin angespannten Personalmarkt in der Pflege schwierig sein, fehlendes Personal zu ersetzen, teilte der Caritasverband für das Bistum Dresden-Meißen mit.
Im Vergleich zum Vorjahr stehe landesweit etwa ein Drittel weniger Pflegepersonal zur Verfügung, teilte die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Sachsen mit. Die Sorge von Einrichtungsträgern, dass weiteres Personal infolge der einrichtungsbezogenen Impfpflicht und der Omikron-Welle ausfällt, ist dementsprechend sehr groß.
In Sachsen sind derzeit nach Angaben der Gesundheitsministeriums nur rund 65 Prozent der etwa 300 000 Arbeitskräfte im medizinischen und pflegerischen Bereich geimpft. Dass schlagartig jemandem gekündigt werden müsse, werde es in Sachsen nicht geben, hatte Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) versichert. Die SPD-Politikerin sprach von einem möglichen «Spielraum», in dem es noch einmal Befragungen und Gespräche mit den Betroffenen geben könne. An einem Erlass zur Umsetzung der Impfpflicht werde gearbeitet.
«Wir bekommen zunehmend Rückmeldungen aus den Mitgliedsbetrieben, dass Beschäftigte mit Blick auf die kommende einrichtungsbezogene Impfpflicht beabsichtigen zu kündigen», sagte der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer. Die Sorge wachse an vielen Stellen, gerade bei Pflegeunternehmen in Regionen mit hohen Inzidenzen und geringen Impfquoten. Zudem fühlten sich Pflegekräfte zu recht alleingelassen, wenn es nicht gleichzeitig zu einer allgemeinen Impfpflicht komme.
Auch die AWO Sachsen sorgt sich um mögliche Kündigungen. «Tatsächlich liegen einige solcher Ankündigungen in Richtung «ich melde mich arbeitssuchend» oder «ich suche mir was Neues» vor», hieß es auf Anfrage. Das seien nicht übermäßig viele Mitarbeitende, «aber doch zu viele, um von Einzelfällen sprechen zu können.»
«Leider gibt es in den betroffenen Arbeitsfeldern das bekannte erhebliche Fachkräfteproblem, so dass für Personal, für das ein Betretungsverbot ausgesprochen wird, in der Regel nicht in kurzer Zeit Ersatz gefunden werden kann», sagte Susanne Straßberger vom Diakonischen Werk Innere Mission Leipzig. Möglicherweise lasse sich der vorgegebene Personalschlüssel nicht mehr einhalten, was den Bestand der jeweiligen Betriebsgenehmigung in Frage stelle.
Bei der Volkssolidarität Stadtverband Leipzig geht man indes nicht von einer großen Eigenkündigungswelle aus. «Aber es wird auch bei uns einzelne Härtefälle geben, über die wir reden müssen und wir werden bis zuletzt daran arbeiten, alle für eine Impfung zu begeistern, um das Wort Kündigung gar nicht erst in den Mund nehmen zu müssen», hieß es auf Anfrage.
Denkbar ist auch ein zeitlich begrenzter Aufnahmestopp in den Einrichtungen. «Wenn Pflegekräfte in größerer Zahl ausfallen, ist die Versorgung der Pflegebedürftigen unmittelbar gefährdet», sagte Bernd Meurer vom bpa. Je nach Anzahl und Dienst der von einem etwaigen Tätigkeitsverbot betroffenen Mitarbeitenden, müsse dann in letzter Konsequenz auch ein Aufnahmestopp in Erwägung gezogen werden, hieß es auch vom Caritasverband.
Laut Ministerin Köpping warteten viele noch ungeimpfte Mitarbeiter auf den Impfstoff von Novavax, dessen Auslieferung sich verzögern soll. Der Impfstoff ist proteinbasiert und beruht auf einer anderen Technologie als die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna.