AfD-Landeschef Reichardt wird Spitzenkandidat

Parteitag mit Bombendrohung zwischendurch

Sachsen-Anhalts AfD-Landeschef Martin Reichardt führt seine Landespartei im Bundestagswahlkampf an. Der 51-Jährige setzte sich bei der Wahl um den Spitzenplatz am Sonntag, 20. Dezember 2020auf einem Parteitag in Magdeburg gegen den Landtagsabgeordneten Robert Farle und das AfD-Mitglied Rene Vollmann durch. Reichardt erhielt 229 der 348 abgegebenen Stimmen, was einer Zustimmung von 65 Prozent entspricht. Für Farle stimmten 23 Prozent der Anwesenden.

Der 70-Jährige hatte bei seiner Bewerbungsrede gesagt, er wisse, dass er keine Chance auf einen Sieg habe, wolle aber vor einer Spaltung der Partei warnen. Er kritisierte, es habe Treffen in Hinterzimmern gegeben, um die Kandidatenlisten für Landtags- und Bundestagswahl vorab zu bestimmen und monierte auch, dass ein Parteitag am 4. Advent viele Mitglieder von einer Beteiligung abhalte. Er wolle, dass die Partei frei und lebendig bleibe. Farle will eigentlich in den Bundestag, wurde bei den vorab bekanntgewordenen Wahlvorschlägen aber nicht berücksichtigt.

Landeschef Reichardt verwies in seiner Rede auf seine bisherige Arbeit im Bundestag. Er sprach davon, dass das «politische Establishment» seine undemokratische Fratze mehrfach gezeigt habe. Die AfD sei die einzige Partei, die konstruktive Politik mache. Der gebürtige Niedersachse sitzt seit 2017 für die AfD im Bundestag. Ende September 2021 ist wieder Bundestagswahl, dreieinhalb Monate vorher wählt Sachsen-Anhalt einen neuen Landtag.

Bereits am Samstag hatte sich die Partei getroffen, um die AfD-Liste für den Landtag zu wählen. Die Liste ist jedoch kaum gefüllt. Am Samstagabend beendete die Partei ihr ganztägiges Treffen unter hohen Corona-Auflagen nach der Wahl des fünften Listenplatzes, wie ein Parteisprecher sagte.

Am Nachmittag hatte die AfD ihre Versammlung aufgrund einer anonymen Bombendrohung für rund zweieinhalb Stunden unterbrechen müssen. Die Polizei war mit einem Sprengstoff-Suchhund vor Ort, fand aber nichts Verdächtiges und gab die Halle wieder frei.

Vor der Zwangspause hatte die AfD ihren Fraktionschef Oliver Kirchner zum Spitzenkandidaten gekürt. Auf den folgenden Plätzen landeten mit Ulrich Siegmund, Hans-Thomas Tillschneider, Daniel Roi und Tobias Rausch weitere Politiker, die bereits im Landtag sitzen. Bis auf Rausch hatte niemand einen Gegenkandidaten. Die Landesliste soll bei einem weiteren Parteitag am 23. und 24. Januar in Magdeburg vervollständigt werden. Geplant ist es, bis zu 40 Plätze zu besetzen.

Spitzenkandidat Kirchner gab als Ziel aus, seine Partei bei der Landtagswahl am 6. Juni 2021 zur stärksten Kraft zu machen. Die AfD schaffte es 2016 erstmals ins Magdeburger Parlament, holte knapp ein Viertel der Stimmen und zahlreiche Direktmandate. Nur die CDU von Ministerpräsident Reiner Haseloff holte ein besseres Ergebnis.

In Sachsen-Anhalt werden viele Anhänger und Spitzenfunktionäre dem offiziell aufgelösten «Flügel» um den Thüringer Landeschef Björn Höcke zugerechnet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ordnet die Strömung als rechtsextremistische Bestrebung ein und beobachtet sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln.

Die AfD entschied sich, ihren Parteitag nicht zu verschieben, obwohl zur Eindämmung der Corona-Pandemie derzeit strenge Kontaktbeschränkungen gelten. Die Landesverordnung erlaubt explizit Wahlversammlungen. Andere Parteien verschoben ihre Listenwahlen dennoch wegen der Corona-Lage, die CDU sogar zwei Mal. Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD)hatte die Veranstaltung wenige Tage vor Weihnachten als unverantwortlich kritisiert und sich geweigert, sein Ordnungsamt für Kontrollen in die Halle zu schicken.

Stattdessen übernahm das Landesverwaltungsamt mit einem fünfköpfigen Team die Kontrollen. Es gilt strenge Maskenpflicht auch am Platz, Abstände sollen eingehalten, Gruppenbildungen vermieden werden. Zudem wird mehrfach in der Stunde im großen Stil gelüftet. Immer wieder wurden die rund 400 Mitglieder am Samstag von den Tagungsleitern aufgefordert, ihre Masken auch über die Nasen zu ziehen.

«Der Veranstalter ist doll bemüht, alles ordnungsgemäß über die Bühne zu bringen», sagte der Abteilungsleiter für Gesundheit im Landesverwaltungsamt, Ragner Wenzel, am Sonntag. Hinweise der Kontrolleure würden umgesetzt. Wenige Beteiligte mussten von seinem Team an das richtige Tragen einer Maske erinnert werden. Platzverweise oder schärfere Sanktionen seien nicht nötig gewesen. Die Kontrolleure waren auch am Sonntag vor Ort.

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