Jahrhunderthochwasser: Sportraum e.V.

Sportraum e.V. Magdeburg

10 Jahre nach dem Jahrhunderthochwasser

Am 9. Juni hatvor genau 10 Jahren der Wasserstand der Elbe während des Junihochwassers in Magdeburg seinen Höchststand erreicht.

Betroffen war damals auch Niels Wedler, der Vereinsvorsitzende vom Sportraum e.V. mit seinem Gesundheitszentrum mit Sitz im Stadtpark Rotehorn, direkt an der alten Elbe.

Unsere Reporterin Laura Födisch hat sich von Niels erzählen lassen, wie er diese Zeit erlebt hat und wie der Weg zurück in die Normalität für ihn war.


Hochwasser waren für Niels und das Gesundheitszentrum nichts Neues – mit einem Standort direkt an der Elbe. Das alte Ruderbootshaus – den Magdeburgern auch als Schweizer Haus bekannt – ist extra auf Stelzen gebaut, unter denen Hochwasser durchfließen kann. Auch durch das Hochwasser 2002 hatte Niels schon Erfahrungen gesammelt:

„Wir wussten, wenn es auch nur ansatzweise über den Stand von 2002 kommt, dass der Schaden relativ groß wird, weil dann auch die erste Etage überflutet ist“

Deswegen haben Niels und sein Team frühzeitig Vorbereitungsmaßnahmen getroffen:

„Wir haben unten wo die Boote drin sind alles ausgeräumt, wir haben die Fitnessgeräte aus der 1. Etage nach oben geräumt und haben so wirklich versucht alles zu schützen.“

Für Niels ist das Schweizer Haus nicht nur sein Arbeitsplatz – er lebt hier auch mit Frau und Hund. Ab einem Pegelstand von 5,8 Meter mussten sie allerdings ihre Wohnung verlassen – das war nur noch über den Wasserweg möglich:

„Wir hatten unsere Autos vorher schon höher geparkt und sind dann mit Kanus – mit unserem letzten Hab und Gut, welches wir für die Zeit der Evakuierung gebraucht haben rüber gepaddelt und haben alles aus der Ferne verfolgt. Das war für uns natürlich eine unglaubliche Belastung. Ich hab die Zeit dann auch genutzt, um im Kieswerk Sandsäcke zu füllen um mich abzulenken.“

Trotzdem hat es Niels regelmäßig zum Schweizer Haus gezogen:

„Bei einem Wasserstand von 6,80 Metern bin ich nochmal mit dem Kajak zum Haus gepaddelt und hab da schon extreme Schäden entdecken können und das war dann ja immer noch nicht der Höchststand.“

3 Tage nach dem Höchststand konnte Niels das erste Mal wieder das Haus betreten

„Das sieht im ersten Moment, wenn man hier durchgeht – mit Kamera und das Wasser wabert unter dem Boden und man kann die Hand raushalten ins strömende Wasser- wie auf einem Hausboot und sieht gleichzeitig die extremen Schäden, alles ist schlammig in einer Farbe, es ist dunkel, weil kein Licht geht – das hatte schon was gespenstiges. Wir hatten gerade den gesamten Saunabereich neu saniert, neue Fußböden, neu gemalert – wirklich kurz vorher. Das sind so Sachen die einem dann durch den Kopf gehen, dass du das jetzt alles abreißen musst und es ewig dauern wird bis das alles trocknet“

Eine Woche später ist Niels mit seiner Familie wieder in das Schweizer Haus eingezogen – ohne Strom, ohne Warmwasser – ein Notstromaggregat hat wenigstens für einen funktionierenden Kühlschrank gesorgt.

„Dann ging eine Welle der Hilfsbereitschaft aus dem Freundeskreis, aus der Familie und aus unseren Mitgliedern heraus hervor. Wir haben dann angefangen unten alles was nass war – den Fußboden, die Wände, Tonnen von Ausgleichschüttung im Fußboden, alte Teppiche – alles herausgerissen, damit das Haus erstmal trocknen konnte.“

Nach einer Schadensbegutachtung durch die Stadt war schnell klar, der Schaden ist immens und damit folgte die nächste Hiobsbotschaft für Niels

„Der Gipfel war dann als wir zwei, drei Wochen aus der Zeitung erfuhren, dass das Haus abgerissen werden soll. Das war für uns natürlich ein Schock, wir haben gesagt ok, das Haus hat einen großen Schaden aber aus unserer Sicht keinen Totalschaden. Das war auch ein Schock, weil das Haus bedeutet für uns nicht nur Arbeitsplatz, sondern auch Wohnung.“

Dank der Denkmalschutzbehörde und einem Gang vor den Stadtrat durch Niels konnte der Abriss verhindert werden. Dann hat allerdings der damalige Betreiber des Hauses den Pachtvertrag gekündigt. Wieder musste Niels handeln und gründete kurzentschlossen den Verein Sportraum eV. Er nahm einen Kredit auf um das Haus zu erhalten und die untere Etage zu sanieren.

„Die Stadt hatte die unter Etage nicht mit saniert mit dem Argument, dass sie hier keinen nachhaltigen Hochwasserschutz leisten kann. Für uns war aber klar, ohne die untere Etage können wir das Haus nicht wirtschaftlich betreiben.“

Vier Jahre lang haben die Sanierungsarbeiten gedauert und rund 700.000 € an Förder- und Eigenmitteln sind in die Arbeiten geflossen. Während der Bauarbeiten lief das Gesundheitszentrum im eingeschränkten Betrieb – für Kurse durfte der Verein zum Beispiel auf Räume des SCM Kanuheims oder der Sport und Therapiehalle Schule Am Wasserfall zurückgreifen

„Wir waren unseren Mitgliedern auch wirklich sehr dankbar. Ganz ganz viele haben ihre Beiträge gezahlt obwohl die Leistungen wie zB Sauna oder Sanitäranlagen nur eingeschränkt verfügbar waren. Der größte Teil der Mitglieder ist uns trotzdem treu geblieben.“

Im Sommer 2017 nahm das Gesundheitszentrum nach einer feuchtfröhlichen Einweihungsfeier dann endgültig wieder seinen Betrieb auf und floriert seitdem.

„Ich muss sagen toi toi toi : unser Verein läuft wirklich gut! Wir haben eine gute Mitgliederentwicklung, wir machen viel über Workshops und Yogareisen – dass wir es schaffen werden den Kredit zum Ende des Jahres zu tilgen. Wir haben es also geschafft, den Kredit den wir aufnehmen mussten innerhalb von 7 Jahren abzuarbeiten. Damit ist ab 2024 der Verein schuldenfrei und das ist schon eine enorme Leistung.“

Abschließend erzählt Niels, dass man mit jedem Hochwasser dazu lerne. Deswegen habe er die Sanierung der unteren Etage so gestaltet, dass ein so hoher Schaden nicht nochmal auftreten kann. Denn mit einem erneuten Hochwasser inklusive Schäden müsse man bei dieser Lage immer rechnen

„Wir haben einfach einen unglaublich super genialen Standort hier. Man kann hier zB im Fitnessraum auf dem Ruderergometer sitzen und blickt auf die alte Elbe und kann den Bieber vorbeiziehen sehen. Welches Fitnesscenter oder welche Sportinstitution kann denn sowas schon von sich behaupten?! Wenn man diese Vorteile in Anspruch nehmen möchte, muss man auch mit dem Hochwasser leben. Da darf man dann nicht rumjammern – man hat sich drauf eingelassen und nutzt in der hochwasserfreien Zeit die Vorzüge des Standorts.“

www.sportraum-md.de

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radio SAW-Reporterin Laura Födisch berichtet aus Magdeburg
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