Kommunen sollen selbst blitzen

Die Auswirkungen der Personalnot bei der Polizei in Sachsen-Anhalt werden immer spürbarer. Seit Jahresbeginn ist die Zahl der durch Beamte erwischten Temposünder um gut ein Fünftel auf 180.000 gesunken.

Weniger Beamte, weniger Tempokontrollen, weniger Einnahmen für den Staat aus Verwarn- und Bußgeldern – es ist ein Teufelskreis, hieß es von den Polizeigewerkschaften.

Die verringerten Tempokontrollen haben sich vielerorts herumgesprochen. In einigen Orten werden wieder steigende Unfallzahlen registriert.

Nun sollen die Kommunen einspringen, fordert Wolfgang Ladebeck, der Landesvorsitzende der Deutschen Polizei-Gewerkschaft Sachsen-Anhalt und das tun sie auch.

Inzwischen rüsten tatsächlich immer mehr Kommunen auf und investieren in eigene Starenkästen und mobile Blitzer, wie zum Beispiel Stendal, Leipzig, Halberstadt, Dessau-Roßlau und Erfurt.

Wer über rote Ampeln fährt, muss in Sachsen-Anhalt kaum Blitzlicht samt teurem Bußgeldbescheid fürchten. Keine der großen Kreisstädte oder kreisfreien Städte hat einen Rotlicht-Blitzer an seinen Kreuzungen installiert, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Die Kommunen setzen vielmehr einen Schwerpunkt auf Tempokontrollen. Einige Kommunen investieren in neue Technik, andere verzichten gänzlich auf eigene Kontrollen.

Der Stadtrat in MAGDEBURG diskutierte im Spätsommer über die Aufstockung der Blitzer. Momentan ist ein mobiles Gerät im Einsatz, ein Antrag wollte zwei Neuanschaffungen erreichen. Doch die Verwaltung verwies auf den hohen Personalaufwand, der dazu führt, dass der einzige Blitzer nicht ausgelastet ist. Der Beschluss: Die Landeshauptstadt soll ihr Gerät effizienter nutzen – und erwägt zwei Mitarbeiter zusätzlich einzustellen. Im vergangenen Jahr war der Blitzer mehr als 830 Stunden aktiv – und erwischte mehr als 40 000 Temposünder. Die Höhe der Strafen: Mehr als 786 000 Euro.

Aus Sicht der Verwaltung ist das Gerät ein Erfolg. Die Zahl der Verkehrsunfälle sei seit der Anschaffung im Jahr 2014 um fast 1000 auf 7800 Unfälle zurückgegangen. Auch die Zahl der Verletzten sei leicht gesunken. Statt einer Anschaffung weiterer Tempoblitzer erwägt Magdeburg, künftig auch die Ampel-Verstöße zu kontrollieren. Mittelfristig soll ein Gerät angeschafft werden, dass auch das Fahren bei roter Ampel ahndet, teilte ein Stadtsprecher mit.

In STENDAL ist ein mobiler Messwagen im Zwei-Schicht-Betrieb im Einsatz. Zusätzlich installierte die Stadt im Ortsteil Buchholz vor zwei Jahren zwei feste Blitzer an einer vielbefahrenen Bundesstraße. «Verkehrslärm und dauerhaft zu hohe Geschwindigkeiten waren eine Gefahr für die Einwohner», sagte ein Stadtsprecher. «Das Problem hat sich mit der Geschwindigkeitsüberwachung auch nach Meinung der Anwohner dort erledigt.» Während die Anlage im ersten Jahr noch mehr als 10 000 Geschwindigkeitsüberschreitungen registrierte, seien es vergangenes Jahr nur noch 8900 gewesen. Im ersten Halbjahr wurden demnach etwas mehr als 3000 Fahrzeuge geblitzt.

Mehr Geräte will die Hansestadt nicht anschaffen. Dafür soll die jetzige Anlage mit Radar-Technik auf neue Laser-Messtechnik modernisiert werden. Dadurch könnten mehr Einsatzorte abgedeckt und die Auslastung erhöht werden. Neue Blitzer-Orte könnten in der Nähe einer Grundschule oder einer Kita sein.

SALZWEDEL verfügt über einen mobilen Blitzer. Die Stadt plane derzeit keine Aufstockung der Tempoüberwachung, hieß es. In den vergangenen Jahren stieg demnach die Zahl der kontrollierten Autos stetig. Wurden 2013 noch knapp 76 500 Fahrzeuge gemessen, waren es im vergangenen Jahr bereits 13 500 mehr. Knapp 8000 erwischte Temposünder mussten Strafe zahlen.

In der Saalestadt HALLE ist nach Angaben der Stadt ein mobiler Blitzer unterwegs. Dazu gebe es drei Messgeräte, die abwechselnd an sieben stationären Plätzen eingesetzt würden. «Die stationären Anlagen wurden an Stellen errichtet, an denen überhöhte Geschwindigkeit primäre Unfallursache war.» Im ersten Halbjahr sahen knapp 17 500 Autofahrer im Stadtgebiet das Blitzlicht. Laut Stadt wurden seit 2013 jedes Jahr etwas mehr Temposünder erwischt. So wurden 2013 noch 32 300 Tempoverstöße geahndet, im vergangenen Jahr waren es 9000 mehr. Bußgelder: Zuletzt knapp 950 000 Euro.

DESSAU-ROSSLAU hat insgesamt fünf Messgeräte im Einsatz: einen mobilen Blitzer und vier Anlagen, die im Wechsel in den fünf stationären Messsäulen aktiv sind. Aufgestockt hat die kreisfreie Stadt ihr Equipment länger nicht. 2011 sei beim Ausbau der Bundesstraße 184 zwischen Dessau und Roßlau die letzte stationäre Anlage installiert worden, sagte ein Stadtsprecher. Bis Ende Oktober lösten die Geräte gut 18 000 Mal aus. In den Vorjahren wurden demnach jeweils rund 24 000 Tempoverstöße geahndet.

In WITTENBERG fuhren vor allem 2014 viele Temposünder in die Kontrollen. Mehr als 5900 Fahrer wurden erwischt. Im vergangenen Jahr waren es gut 2300 weniger. Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden 1800 Fälle geahndet. Die Verwaltung mietet nach eigenen Angaben nur einen einzigen mobilen Blitzer an – und plant auch keine Aufstockung der Kapazitäten.

HALBERSTADT hat mit drei mobilen Blitzern im ersten Halbjahr gut 7000 Autofahrer geblitzt. Das waren gut 400 mehr als im gesamten Jahr 2015. Dabei hat die Stadt im Kreis Harz ein neues Gerät angeschafft und getestet, das rund um die Uhr und deutlich flexibler als bisher einsetzbar ist. Das Gerät sei seit Mai im Einsatz, teilte die Verwaltung mit. Stationäre Anlagen gibt es hingegen nicht.

BURG hat selbst seit Jahren weder stationäre noch mobile Blitzer im Einsatz. Im gesamten Jerichower Land werde die Tempoüberwachung von der Polizei übernommen, teilte die Stadt mit. Ebenso äußert sich die Verwaltung von KÖTHEN.

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